Senfmüller´s Anekdote
Für unsere Senf-Nachrichten haben wir in Wolf Ückers “Brevier der Genüsse” eine wundervolle Anekdote über Senf entdeckt.
Alexandre Marquis Davy de la Pailleterie (1802 ‑I870) schrieb 302 Romane und am Ende seines Lebens ein weltberühmtes kulinarisches Werk, das “Grand Dictionaire de Cuisine”. Wir kennen heute außer diesem Werk nur noch zwei seiner Bücher: “Die drei Musketiere” und “Der Graf von Monte Christo”. Und natürlich sein Pseudonym — Alexandre Dumas.
Als er eines Tages im Zug das Aussteigen in Macon verschlief, musste er in Dijon übernachten. Dieser einen Nacht verdanken wir eine Studie über den Senf, die er “an alle Feinschmecker der Erde” richtete.
“Im Hotel du Parc verlangte ich um elf Uhr nachts zu speisen. Man bot mir zwei Hammelkoteletts und ein halbes kaltes Huhn.
“Welchen Mostrich wünschen Sie?” fragte mich der Kellner. Dijoner, welchen sonst”, sagte ich. Mit beleidigter Miene antwortete er: “Wir haben 84 Sorten für Herren und 29 für Damen.”
“Welches ist der Unterschied zwischen Herren- und Frauen-Senf ?” fragte ich.
“Damen haben einen feineren Gaumen als Herren. Deswegen haben wir in Dijon eine sanftere Kollektion für die Damen vorrätig.”
“Dann bringen Sie mir die besten von beiden”, befahl ich.
“Wie mein Herr, sie wollen Damen-Mostrich essen ?” rief er verwundert. Dann ging er und brachte auf zwei Tabletts zu meinen Koteletts je sechs Sorten Senf. Ich bin kein großer Mostrich-Liebhaber und brauchte bisher dieses “Vorwort des Appetits” nur sehr selten. Jetzt häufte ich mir zwölf kleine Senfpyramiden auf den Tellerrand und begann zu essen. Was ich erlebte, war eine Offenbarung. Kapern- und Sardellen-Mostrich, mit Knoblauch, mit Estragon, mit feinen Kräutern, mir Zitronenöl, mit Pilzen, süßsauer, ä la ravigote und ä la greque, roter Senf und pulverisierter, mit Wasser angerührter.
Ich schob das zweite Kotelett beiseite, ließ es warmstellen und orderte Thunfisch und Ölsardinen, die ich auf meinem Teller zu einem feinen Brei zerdrückte. Zwei hartgekochte Eier fügte ich hinzu, schnitt ein Cornichon klein, würzte mit zwei Sorten Senf- mildem und scharfem, schmeckte mit Tafelessig von Maille ab und ließ mir dann alles durch ein Sieb streichen. Was ich jetzt auf kleinem Teller zurückbekam, war eine himmlische Sauce, die zu meinem Kotelett nicht übel war, zu Austern und Schalentieren jedoch ideal sein musste.”
Heute ist diese Sauce als Sauce Dumas Bestandteil der großen französischen Küche, und jeder Küchenchef von Rang hat sie in seinem Repertoire.
Illustration: Stereo (!) Bild von 1852/ Double portrait d’Alexandre Dumas, entre 1851et 1852, par le photographe Alexis-Louis-Charles GOUIN, né entre 1799 et 1800, décédé en 1855./ https://commons.wikimedia.org