Senfmüller Jörg Hündorf feiert 10-Jähriges
Senf ist mehr als nur ein Farbklecks auf der Würstchenpappe. Er kann eine Delikatesse sein, beispielsweise wenn Honig und Pfeffer ins Spiel kommen. In Halle arbeitet einer der letzten Senfmüller Deutschlands.
Jörg Hündorf schüttet Senfmaische in ein kleines Loch. Es befindet sich in der Mitte eines massiven Granitsteins, der auf einem anderem liegt und sich langsam dreht. Ein Mahlwerk, mehr als eine Tonne schwer. Der hagere Mann mit den langen Haaren und der Brille schwört darauf. „Mahlen durch Masse“, sagt er. „Ohne viel Drehzahl.“ Es dauert nicht lange, bis die Fliehkraft die aromatische Masse durch Öffnungen an den Rand des Mahlwerks in eine Auffangrinne drückt. Die beißenden ätherischen Öle finden den Weg in Augen und Nase. „Ich mach mal lieber die Lüftung an“, sagt Hündorf. Er lacht, der Ventilator summt.
Hündorf ist der einzige Senfmüller in Sachsen-Anhalt und einer der letzten in Deutschland. In Halle an der Saale hält er das alte Handwerk hoch. 49 Jahre ist er alt, seine kleine Senfmühle feiert in diesen Tagen ihren zehnten Geburtstag. Senf, sagt Hündorf, ist Genuss. Zweimal in der Woche steht er in einem kleinen Raum auf einem Hinterhof am Mahlwerk. Bis zu sechs Tonnen pro Jahr stellt der Senfmüller her. Sieben Sorten hat er im Angebot. Zum Classic-Senf gesellen sich Varianten mit Honig, grünem Pfeffer, Wein und Äpfeln.
Seine Delikatessen im Steinzeug- oder Glasgefäß liefert er unter anderen an Bio-Läden und Lokale, Gourmets bestellen online. „Ich will nicht in die Breite“, sagt Hündorf. „Ich will lieber in die Tiefe.“ Auf sein Bio-Siegel ist er stolz. „In meinen Senf kommen nur Bio-Zutaten, am liebsten regional.“ Kein Wunder, dass im „Georgsenf“ aus dem Ein-Mann-Betrieb auch Hallorensiedesalz aus seiner Heimatstadt Halle ist. Die Senfkörner des Gelben, Braunen und Schwarzen Senfs bestellt er in Thüringen.
Hündorf ist Seiteneinsteiger. Ein Autodidakt, der die Liebe zur Senfherstellung in der eigenen Küche entdeckt hat. „Ich habe ein Kilo Schwarze Senfkörner gekauft, sie in einer Kaffeemühle gemahlen und mit Essig und Gewürzen experimentiert“, beschreibt er die Anfänge. Als gelernter Koch und Orgelbauer ist er anfangs oft für seine Idee zur Herstellung eines urtypischen Senfs belächelt worden. „Ich wollte ja immer Rockstar werden“, sagt er.
Tatsächlich verdingte sich der Liebhaber ursprünglicher Küche und Öko-Fan viele Jahre als Musiker, spielte in Bands Schlagzeug und Keyboard. Heute sagt er: „Das hat sich irgendwann nicht mehr gut angefühlt.“ Als er sich zum Koch ausbilden lässt, ist er schon über 30. „Ich habe auch mal kurz über ein eigenes, kleines Restaurant nachgedacht“, sagt der 49-Jährige, der aus einer Fleischerfamilie kommt und noch zwei Brüder hat. Anfang 2005 wagte er mit „Georgsenf“ den Sprung in die Selbstständigkeit.
„Für mich stand irgendwie nie zur Debatte, dass es nicht klappt“, sagt Hündorf, der Bio-Läden in Halle bis heute mit dem Fahrrad beliefert, weil er kein Auto hat. In der ersten Zeit war sein steinvermahlener Senf ein Produkt seiner Improvisationskunst. Er ist es bis heute geblieben. „Wenn man so klein ist, kann man keine große Industrietechnik kaufen“, sagt er. Da muss die Senfsaat mit einer Mohnmühle gemahlen und mit einem Honigabfüller in die Gefäße gefüllt werden. Das Verschließen der Steinzeugtöpfe mit einem Korken erledigt eine Zitruspresse, und die Etikettiermaschine ist eigentlich für Weinflaschen. „Ganz am Anfang habe ich den Senf ja noch mit dem Löffel verteilt.“
Senf-Fan ist Hündorf durch und durch. „Zu Bratwurst brauch ich keinen, zu Bockwurst schon eher. Und auf guter Rotwurst ist es ein Muss.“ Zu seiner anderen Liebe Musik hat der verheiratete, kinderlose Senfmüller inzwischen auch zurückgefunden. „Ich spiele wieder in einer Band“, sagt er. „Das mit dem Rockstar wird sicher nichts mehr, aber das mit dem Senf ist was geworden.“
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