Hoppla, was war das? …
…fragte ich mich letztens, als ich ein frisch etikettiertes Glas Georgsenf in den Händen hielt. Wollte ich nicht wachsam sein, jede Veränderung des Produktes lieber noch einmal hinterfragen, um nicht einer nie ganz auszuschließenden Betriebsblindheit unnötig Vorschub zu leisten? Und jetzt das: auf dem Rücketikett des Senfglases, wird mittels fetter Buchstaben vor dem Allergen Senf gewarnt. Darunter geht es weiter mit den durchschnittlichen Nährwertangaben pro 100 g, Fettgehalt, davon gesättigte Fettsäuren, Kohlenhydrate, davon Zucker, Eiweiß und Salzgehalt. Als Kunde, der das Glas Senf guten Gewissens erworben hat, würde ich mich jetzt wahrscheinlich völlig zu Recht fragen, ob ich überhaupt ernst genommen werde.
Für diese unnötige Vormundschaft, möchte ich Sie, liebe Senfliebhaber/innen, in aller Form um Entschuldigung bitten.
Die Angaben sind jedoch gesetzlich vorgeschrieben und Teil der seit 2014 schrittweise umgesetzten neuen Lebensmittelverordnung. Teile der Neuerungen, wie die Herkunft von Fleisch, Salzgehalt, Art der verwendeten pflanzlichen Öle u.a. tragen durchaus zur besseren Verbraucherinformation bei. Da aber weiterhin wirklich relevante Angaben über Zusatz – und Hilfsstoffe, Art der Landwirtschaft, Tierhaltung, Gentechnik im Tierfutterfutter (außer bei Bio-Lebensmitteln) fehlen, dürfte bei der Gesetzschreibung ein Heer von Lobbyisten ganze Arbeit geleistet haben. Eine industriell hergestellte Salami-Tiefkühlpizza mit den Hinweisen: aus Massentierhaltung, mit genverändertem Futter aus industrieller Landwirtschaft gemästet, enthält Spuren von wahrscheinlich krebserregenden Glyphosat, sowie einer Liste von unzähligen zusätzlichen Hilfsstoffen würde sich wohl weniger gut verkaufen. Dafür schützt uns der Gesetzgeber aber lieber vor uns selber, bzw. vor unserer einfachen, geistigen Strukturiertheit, indem wir nun beim Brötchen-Einkauf vor der Getreideart Weizen gewarnt werden. Ganz nach dem Motto: „Wissen und Bildung wird nicht mehr vorausgesetzt und es kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass weite, unwissende Verbraucherschichten über die Auswirkungen der Hauptzutat einer Semmel informiert sind.“ Ich möchte lieber gar nicht darüber nachdenken, ob diese Annahme bereits durchgängig Realität ist. Wohl zum Glück nicht ganz, sonst wäre in unserer Gesellschaft einiges mehr schiefgelaufen.
Nun ist es als Senfmüller – nicht zuletzt auf Grund unzureichender Hintergrundinformationen – nicht meine Aufgabe, über das Zustandekommen der EU-weit geltenden Lebensmittelverordnung zu lamentieren.
Darum belasse ich es dabei und freue mich lieber auf die nachherige Brotzeit. Genüsslich streiche ich mir dann Rohmilchbutter aufs herrlich duftende Brot, auch Käse, Wurst und ein kühles Bierchen dürfen nicht fehlen. Beim Einschenken des schäumenden Gerstensaftes entsteht eine herrliche Blume auf meinem Bierkelch.
Glücklicherweise habe ich seit kurzem eine neue Brille. So fielen mir, die Flasche „Urstoff“ noch über dem Glas, überlebenswichtige Informationen auf dem Bier-Etikett gleich ins Auge:
Fett 0,5g, davon gesättigte Fettsäuren 0,1g…
Prosit und immer guten Appetit
Ihr Senfmüller Jörg Hündorf