Reise- / Restaurant-Tipp #02
Naturpark Uckermärkische Seen / Feldberger Seenlandschaft
Eine kleine kulinarische Entdeckung
So wacht man gerne auf: Schwalben und Spatzen zwitschern, die Morgensonne scheint durch die offenen, großen Fenster meines Urlaubs-Domizils direkt neben dem Archehof Gut Falkenhain bei Hardenbeck. Mein erster Blick aus dem Fenster fällt auf eine Bilderbuch-Landschaft. Auf dem Feld ein Storchenpaar, weiter hinten Rehe vor einem Buchenwald.
Durch das sanfte Rascheln der Blätter vernehme ich von weitem Kinderstimmen, hin und wieder ein wieherndes Pferd und sonst … nichts. Keine laute Straße, kein Flugzeuglärm, kein hässlicher Neubau, nichts stört das Idyll. Einen Moment lang bin ich im Versuch, mir in die Wange zu kneifen, aber es ist kein Traum: Ich befinde mich mitten im Naturpark Uckermärkische Seen, 50 km nördlich von Berlin beginnend.
Als Land der 300 Seen, Flüsse und Bäche preisen die Uckermärker ihre Heimat. Hier gibt es sie noch: Die glasklaren, natürlich entstandenen Seen, naturnahen Wälder und artenreichen Moore. Hecken umsäumen Wiesen und Äcker, Feldgehölze und Feldsölle prägen das Bild. Die Kinderstimmen kommen vom benachbarten Gut Falkenhain. Im aufwändig restaurierten Archehof mit integriertem Kinderhotel werden alte, vom Aussterben bedrohte Nutztier-Rassen wie das Bentheimer Schwein artgerecht gehalten und gezüchtet. Die Kinder können hier viel über die Tiere und den richtigen Umgang mit ihnen erfahren und lernen sie so auf spielerische Weise wertzuschätzen. Ein tolles Projekt, hier möchte ich bleiben. Trotzdem, es wird Zeit für mich. Das Gut ist der ideale Ausgangspunkt, um die Landschaft zu erkunden und kulinarische Schätze zu entdecken. Zuerst aber geht es um den Einkauf von Lebensmitteln.
Gar kein so leichtes Unterfangen, in der am dünnsten besiedelten Region Deutschlands. Bäcker und Fleischer im Ort haben längst die Segel gestrichen, auch den Dorf-Konsum gibt es nicht mehr. Zufällig fand ich den „Hof im Winkel“, zwischen Thomsdorf und Carwitz gelegen. In einem alten Holzschuppen liegen hier mehrere seltene Tomatensorten neben frischen Kräutern, selbstbereiteten Kräuterteemischungen und einer alten Geldkassette mit der Aufschrift: Kasse des Vertrauens. Noch glücklich von den sensationell gut schmeckenden Tomaten finde ich nach ein paar hundert Metern auch gleich die nächste Überraschung.
Am Rande des Künstlerdorfes Thomsdorf servieren die netten Betreiber der „Feinkostmanufaktur“ in einem ehemaligen Dorf-Konsum selbstgebackene Kuchen und Torten sowie frisch zubereitete Pizza. Pizza? Ich denke, warum nur ausgerechnet Pizza? Doch meine Zweifel sind unberechtigt: Die sicher nicht gerade Region-typische Kombination mit Tiroler Speck und Mozzarella duftet und schmeckt ganz vortrefflich. Auch das gut sortierte Weinangebot kann sich mehr als sehen lassen. Gutes Essen, freundlicher Service, wie es sein soll, und so radle ich zufrieden mit einem Müller-Thurgau im Gepäck in Richtung Gut Falkenhain.
Am nächsten Morgen folgt erst einmal die Ernüchterung, beim Versuch in einem Supermarkt regionale Lebensmittel zu erwerben. Statt saisonalem Obst und Gemüse das übliche globale Einerlei: steinharte Avocados, giftgrüne Birnen aus Chile und auf dreifache Größe mutierte Erdbeeren aus Spanien neben einer Reihe von mit Fertig-Gerichten gefüllten Tiefkühltruhen und Plastik-Einwegflaschen. Also auch hier in der Uckermark natürlich keine heile Welt. Wäre ja auch zu schön. Über der Ausgangstür stand noch der Werbeslogan: „Wir lieben Lebensmittel“.
Zum Glück fand ich beim Besuch des prächtigen Neo-Renaissance-Schlosses in Boitzenburg eine Broschüre mit dem Hinweis auf die Schäferei Hollerbusch. Der Hollerbusch ist ein Bergrücken und trennt die Seen „Schmaler Luzin“ und „Zansen“. Die Fahrt am Nachmittag führte mich auf alten Linden- und Kastanien-Alleen in Richtung Feldberger Seenlandschaft. Mir fallen die vielen jungen Apfelbäume am Wegesrand auf. Sie sind Teil eines groß angelegten Förderprojektes zur Rettung fast verschwundener regionaltypischer Apfelsorten. Um die noch vorhanden Genressourcen zu bewahren, entwickelte die Naturparkverwaltung das Projekt zur Rekultivierung der alten Hochstämme. Auf 109 Sorten fiel die Wahl. Interessierte Bürger, Land- oder Forstwirte erhielten kostenfrei das Pflanzgut, im Gegenzug übernahmen sie die Pflege und Betreuung ihrer Zöglinge. Da alle etwas davon haben, sollte dieses Projekt zur Nachahmung empfohlen werden. Nach einer kleinen Stärkung auf der Terrasse der Fischerhütte (mit Räucherei) direkt am Carwitzer See, geht es dann auf einem alten Naturlehrpfad hinauf zum Hollerbusch. Allein die herrliche Aussicht wäre einen Ausflug wert, doch ich habe noch meine Lammschulter im Hinterkopf. Im Hofladen der Schäferei gibt es dann auch alles rund ums Schaf, einschließlich Lammschulter.
Unbedingt empfehlenswert ist auch ein Abstecher in den Regionalladen „Leib & Seele“ im benachbarten Feldberg. Hier ist der Name keine Floskel, sondern gelebtes Konzept. Ich freue mich über Wurst von hiesigem Wild, leckeres Eis und Schokolade aus Templin und andere (Bio)-Lebensmittel mit regionalem Bezug, obendrein ist noch ein kleines Bistro integriert. So gut mit allem versorgt, stand also dem selbstbereitetem Abendmahl nichts mehr im Wege. Am nächsten Tag genieße ich das klare Wasser des nahegelegenen Platkowsee, um mich abends und am nächsten Mittag mit den allgegenwärtigen gastronomischen Grausamkeiten à la griechische Grotte oder deutsche, gut bürgerliche Küche „hier kocht der Chef“ zu vergnügen. Fast schon resigniert erinnere ich mich an den Tipp des Betreibers der Feinkostmanufaktur, in dem er einen Kollegen im nahen Triepkendorf lobend erwähnte. Das muss die Rettung sein und das Wandern ist ja schließlich des Müllers Lust. In Triepkendorf angekommen fällt der Blick sofort auf die liebevoll restaurierte Dorfschule in der jetzt der Gasthof Tenzo untergebracht ist. Ach, was heißt „untergebracht“:
Hier wurde mit viel Elan und Ausdauer ein Kleinod geschaffen. „Essen und Schlafen wie bei Freunden“ lautet die Philosophie von Gastwirtin Katharina Hering und Koch Marcus Sapion. Und sie haben nicht übertrieben. Schon beim Übertreten der Schwelle stellt sich ein Wohlgefühl ein. Liegt es an den natürlichen Baumaterialien, dem schönen Lehmofen, der geschmackvollen Einrichtung oder am netten Service? Es ist Sommer und so genieße ich im Kräutergarten, unter alten Obstbäumen schon mal zum Amuse-Gueule einen Riesling vom Weingut Neiss. Die bewusst klein gehaltene Karte sorgt zusätzlich für Vorfreude auf Kommendes.
Es wird eine gebratene Maräne mit Kräuter-Pesto serviert. Der Fisch kommt natürlich aus den umliegenden Gewässern, ist kross angebraten, innen noch schön saftig und keinesfalls trocken. Das Pesto, mit seiner feinen Textur und den leicht herben Kräuternuancen, ergibt zusammen mit der rustikal zubereiteten Maräne einen harmonisch-feinen Wechselakkord. So wird aus der scheinbar banalen Maräne eine Delikatesse.
Äußerst schmackhaft sind auch die Schmorgerichte. Egal ob Kalb oder Lamm, das Fleisch ist zart und zergeht auf der Zunge, das Gemüse auf den Punkt gegart, eben nicht zu bissfest oder zerkocht. Klar, dass hier jemand am Herd steht, der sein Handwerk beherrscht. Es kommt nicht eine Sekunde der Verdacht auf, hier werde nur zusammengewürfelt, was gerade en vogue ist. Koch Marcus Sapion versteht es, aus regionalen Zutaten schnörkellos-bodenständige, und doch modern interpretierte Gerichte auf die Teller zu bringen. Ich weiß nicht, ob es Glück ist, eigentlich möchte ich nur Danke sagen. So macht Urlaub Spaß.
Doch es ist schon wieder Zeit zum Aufbruch. Noch eine freundliche Verabschiedung durch die Gastwirtin und hinaus in die stille Nacht. Bei meinem Rückmarsch kreuzt am Waldesrand noch ein Dachs meinen Weg und ich denke: »Leben wie Gott in Frankreich« – diese Redewendung verlangt nach einer kleinen Korrektur.
Essen und Trinken
TENZO Gasthof
Alter Schulweg 2–4 • T Triepkendorf • 7258 Feldberger Seenlandschaft
Tel.: 039820–33940
www.tenzo-gasthof.de
Öffnungszeiten:
Mo, Di, Do und Fr: 17–22 Uhr
Sa und So: 12–22 Uhr
Mittwoch Ruhetag
Juli und August von 12:00–22:00 Uhr geöffnet
Hotel Restaurant Alte Schule
Fürstenhagen • Zur Alten Schule 5 • Fürstenhagen • 17258 Feldberger Seenlandschaft Tel.: 039837–22023
www.hotelalteschule.de
Öffnungszeiten:
Mi-So: 18–22 Uhr
Mo, Di: Ruhetag
Feinkostmanufaktur Thomsdorf
Thomsdorf 38 • 17268 Boitzenburger Land
Öffnungszeiten: am Wochenende
Einkaufen:
Schäferei Hollerbusch
Hollerbusch 2 • 17258 Feldberger Seenlandschaft
Tel. 039831–20006
www.schaeferei-hullerbusch.de
Regionalladen Leib & Seele
Fürstenberger Str. 28 • Feldberg • 17258 Feldberger Seenlandschaft
Hof im Winkel
Thomsdorf 17 • 7268 Boitzenburger Land
Beitragsbild: https://de.wikipedia.org/wiki/Mecklenburgische_Seenplatte